Spiritualität
ist Beziehung zu Gott
Das Wort "spiritus"
kommt aus dem Lateinischen und heißt "Geist". Spiritualität
ist alles Geistige, was uns mit Gott in Beziehung treten lässt.
Wie jede Beziehung zwischen Menschen, so prägt auch die Gottesbeziehung
das Leben, wenn das Wort "Spiritualität" in dem Sinne
gebraucht wird, was es aussagt.
Beziehung
lebt aus der regelmäßigen Begegnung
Wer mit einem Menschen
eine intensive Beziehung hat, wird immer wieder Zeit finden, um
sich mit diesem Menschen zu treffen. Es braucht Zeit, die der Freundschaft
gewidmet ist. Allein aus diesem Grund pflegt ein spiritueller Mensch
das persönliche Gebet. Dieses wird bei einer sehr lebendigen
Spiritualität zum regelmäßigen "fast selbstverständlichen
Reden" mit Gott. Weil aber genau dieses Zwiegespräch ohne
unmittelbares Gegenüber, wie wir es beim Menschen kennen, bei
Gott nicht verfügbar ist, kommt eine wirkliche Spiritualität
nicht ohne Gottesdienst, gemeinsames Gebet und Vertiefung in die
Hl. Schrift aus. Es ist kostbar, wenn ein Mensch sich so verbunden
mit Gott weiß, dass er sich sagt, dass "ihm das genüge"
und er dazu "niemanden anderen brauche". Es lässt
sich auch nicht beurteilen, wie weit und wie wenig Menschen mit
dieser rein "privat gelebten Spiritualität" Gott
nahe oder ferne sind. Ohne gemeinsamen Gottesdienst wird einerseits
das persönliche Beten in der Regel immer kürzer und weniger,
es kann aber genauso zu einem Kreisen um die eigenen Gedanken über
Gott sein, bei dem man mit den eigenen Vorstellungen von Gott spricht,
aber nicht mit ihm als Gegenüber. Ganz sicher lässt sich
behaupten, dass jemand, der auf die gemeinsamen Formen der Spiritualität
regelmäßig verzichten kann, vieles vom Gegenüber
Gottes noch nicht wirklich verstanden hat. Es lässt sich aus
dem, was wir über Gott in der Bibel wissen, mit Gewißheit
sagen, dass er immer die Gemeinschaft der Menschen wünscht
und kein "privater Gott" für jeden ganz für
sich allein sein will.
Spirituelle
Übungen und Pflichten?
Sehr lange war es Gewohnheit
gewesen, in einer Art "Leistung" die Pflichten gegenüber
Gott zu erfüllen. Die Sonntagspflicht war z.B. über Jahrhunderte
ein gesellschaftlich sanktionierter Bestandteil. Man geht auch an
der Sache vorbei, wenn man in seinen Gebeten eine Art heilige Leistung
vor Gott vollbringt. Gott nahe zu kommen ist jedoch für den,
der bereits von ihm erfahren hat, ein sehr anziehendes Ziel. Wie
Sportler/innen eine Art Training vollziehen, das in einzelnen Schritten
nicht immer dem momentanen Bedürfnis entspricht und sogar Verzicht
abverlangt, so gibt es auf dem Weg zu Gott auch Momente, wo man
sich zunächst überwinden muss bzw. braucht es ein gewisses
Maß an Selbstdisziplin. Aber auch jede zwischenmenschliche
Beziehung kommt, wenn sie dauerhaft sein soll, nicht ohne gewisse
Rücksichtnahmen auf das Gegenüber aus. Man tut aus Liebe
etwas für einen Menschen oder verzichtet auf manches, was das
Gegenüber überhaupt nicht möchte. Bei Gott ist es
natürlich um ein großes Stück schwieriger, weil
der Weg, ihm nahe zu kommen, ein geistiger ist. Gott hat kein Interesse,
uns unmittelbare Befehle zu erteilen. Er gibt uns natürlich
sein Gebot, aber eben in völliger Freiheit. Wir haben Zeit,
selber die Erfahrungen zu machen, dass Gott nichts von uns verlangt,
was nur zu seiner Freude wäre, sondern das, was er vom Menschen
wünscht, ist eigentlich für den Menschen selber das Optimalste.
Daher kennen wir von Gott kein Drängen oder Bestrafen und kein
Beleidigtsein, wenn wir uns nicht um ihn kümmern. Es ist aber
klar, dass wir in gewisser Weise auch "Immaterielles"
investieren müssen, um Gott kennen zu lernen, ein Gespür
für das zu erhalten, was er uns nahe legt. Es ist bestimmt
anstrengend, dass uns Gott nicht direkt nahe ist. Dies hat aber
auch seinen Vorteil, weil wir dann nicht zu "reinen Befehlsempfängern"
von ihm werden können, die alles tun, was er anordnet.
Entsteht
ein Schaden, wenn wir nicht auf Gott hören?
Wir können vom Verhalten
Jesu eindeutig ablesen, dass er nie jemanden aktiv eine Sanktion
erteilt hätte, wenn sich jemand nicht für ihn interessiert
hat bzw. sogar jenen nicht, die ihm ausdrücklich Böses
wollten. Jesus hatte sich aber dann nach vielen vergeblichen Versuchen,
einzelnen oder Gruppen nahe zu kommen, zurückgezogen. Er sagte,
dass er dort keine Wunder tun könne, weil kein Glauben vorhanden
war. Wenn man schon das Wort "Schaden" verwenden will,
dann liegt der darin, dass Menschen versäumen können,
in ihrem Leben eine Beziehung zu Gott aufzubauen und dann vieles
nicht eintrifft, was Jesus versprochen hat. Es ist für die
Mitmenschlichkeit sicher ein großer Nutzen, wenn möglichst
viele Menschen Christen sind und die Werte der Nächstenliebe
verwirklichen. Aber ganz gewiss tun dies nicht nur die Christen.
Es finden sich immer wieder beachtliche Beispiele von Mitmenschlichkeit,
die manchem Christen fehlen. Im Wesentlichen ist der Schaden darin
gegeben, dass keine intensivere Beziehung zu Gott wachsen kann.
Das mag für längere Zeit eines Lebensabschnittes ja völlig
harmlos klingen, weil es kein sichtbares "Mehr" gibt,
das man an den Gläubigen erkennen könnte. Wir haben aber
nur das irdische Leben im Blick. Für "diese Welt"
kann es zutreffen, dass der Gläubige sogar vermeintlich benachteiligt
"dasteht". Jesus hat aber ganz klar auch vom ewigen Leben
gesprochen, wo es dann nicht unwesentlich sein wird, ob man Christus
gekannt hat oder nicht. Jesus spricht von verschlossenen Türen,
von einem Abgrund, der nicht mehr zu überwinden ist, wenn der
Mensch bereits verstorben ist. Vermutlich wird es auch im Jenseits
kein Hinabstoßen von Ungläubigen an einen Ort der Bestrafung
geben, wie wir es in der Höllendrohung oft gehört haben.
Es ist aber anzunehmen, dass jeder Mensch dann dort seinen Platz
findet, wo er/sie von seinem eigenen Wesen gut hinpasst. Wir können
annehmen, dass es irgendwelche Grenzen zwischen "Bösen"
und "Guten" geben wird (mehr zum Schutz der Ehrlichen
und Redlichen), sowie auch im Sinne von Gemeinschaft und Nicht-Gemeinschaft
mit Gott. Wie sich das aber konkret qualitativ auswirkt, darüber
können wir ehrlicherweise keine Aussage machen.
Glaube
ist Liebe und so jenseits von Lohn und Strafe
Das viel wichtigere in
der Suche um die eigene Spiritualität ist ein Wachsen in der
Liebe. Es ist ein noch recht unerlöstes Motiv, wenn man in
erster Linie ein spirituelles Leben führt, weil man an Lohn
und Strafe denkt . Denn dabei sind dann Angst und erst recht wieder
Motive der "Gier" - wenn auch einer sehr "heiligen"
Gier - vorhanden. Gott aber ist die reine Liebe. Er hat kein Interesse
daran, dass wir in erster Linie wegen des begehrenswerten Jenseits
einen spirituellen Weg gehen. Möglicherweise ist in diesem
Sinn die "Verborgenheit Gottes" für unsere Motive
im geistlichen Leben etwas sehr Wichtiges. Spiritualität ist
also ein Weg, der zu immer tieferem Verständnis von Liebe führt.
Er ist zugleich ein Suchen um das eigene authentische Leben und
keineswegs etwas Lust und Freude Verachtendes.
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